Es gibt die Goldmarie und die Pechmarie. Zumindest in Grimms Märchen.
Und dann gibt es noch die SandMarie. Die sitzt manchmal auf einer emiratischen Düne und lässt den Sand durch ihre Finger rinnen. So wie die Sandkörner herab, fließen dann gelegentlich Buchstaben durch ihren Sinn, welche sich zu Worten und Sätzen fügen: Über das Leben allgemein, das Leben als Expat in den Emiraten, über Menschen, Bücher (z.B. mein eigenes, s.o.), Erlebnisse....

Montag, 26. Februar 2018

* * * ZUGABE // ENCORE! * * *


Draußen sind gerade - 12°C. MINUS! Nicht ungewöhnlich für einen deutschen Winter. Doch ich habe solche Kälte einige Jahre lang ja nicht mehr erlebt.
Dabei wärmten mich noch vor wenigen Tagen Sonnenstrahlen bei kuscheligen 30°C (plus) ...


"Ich bin wieder da!!!"

Als  - bis dahin zeitweilige - Einwohner hatten meine Familie und ich Ende Juni 2017 Abu Dhabi und damit die Emirate wieder verlassen. Als Touristen kamen wir nun Mitte Februar für zehn Tage zurück. Und darum gibt es hier nun eine kleine Zugabe mit Eindrücken und Gedanken über: 'Wie es so ist, als Gast ins alte Zuhause wiederzukommen'.

Seltsame Parallelität der Empfindungen, vom ersten Moment an nach der Landung auf dem Flughafen: Jedes Haus, jede Straßenkurve, jede Palme, jede Blumenrabatte ist vertraut. Und doch: Dort, eine neue Baustelle, ein neues Geschäft, eine neue Grünanlage!
Dieses Mal ist doch auch alles genauso - wie mein Alltag die fünf Jahre zuvor. Und: Auf einmal wieder alles anders  - als die Umgebung des letzten halben Jahres in Deutschland. Dieses Überblenden des "Besucher-" und des "Zuhause-"Gefühls an beiden Orten wird all die Tage meiner Visite in Abu Dhabi und Dubai bestehen bleiben.
Eigenartig, nun selbst als Touristen viele Orte zu besichtigen, welche man sonst immer den Besuchern aus Europa gezeigt hatte; so auch die unvergleichliche Sheikh Zayed Moschee. 
 
die größten Kronleuchter der Welt ...
Selfie vor der Moscheebesichtigung



... wundervolle Edelstein-Intarsien überall
Blick über den gewaltigen Innenhof der Sheikh Zayed Grand Mosque Abu Dhabi


Die arabische Sonne bei 28 Grad war dennoch nicht das Wärmste bei unserer Visite. Das waren die alten Freunde, die uns so ein herzliches Wiedersehen bescherten. Wie schön, vertraute Gesichter in üblicher Runde an gewohntem Platz versammelt zu finden - und das einzig zum Zwecke, meine Töchter, meinen Mann und mich wiederzusehen!
Alle noch in Abu Dhabi lebenden Freunde, die an jenem Wochenende vor Ort waren, kamen extra zu einer kleinen Feier uns zu Ehren. Wunderbar, all die Menschen "wie immer" zu erleben, mit denen wir so viele fröhliche, aufregende, vertraute, lustige oder eindrucksvolle Momente gemeinsam verbracht hatten!  Auch unsere Töchter wurden sehr freudig von ihren alten Freunden begrüßt. Alles teils sehr emotionale Augenblicke. Und dennoch auch schön zu sehen, dass - mit wie ohne uns - das Leben in Abu Dhabi natürlich "weitergeht".


Gold, Gold und nochmals Blattgold: Hotel Emirates Palace Abu Dhabi

Doch nicht nur die engen Weggefährten der letzten fünf Jahre bescherten uns ein liebevolles Welcome back!  Wie schön ist es doch, wenn man mit einem (fremden, weil Miet-) Auto in unserem ehemaligen Wohncompound ankommt - und der Wachmann am Eingang eigens aus seinem Pförtnerhäuschen springt, um einen freudig zu begrüßen! Einige Verkäuferinnen im nahen Supermarkt rufen uns beim Kassieren ein erfreutes "Hello back!" zu. Als ich die philippinische Rezeptionistin im Sportzentrum umarme, stehen ihr über das unvermittelte Wiedersehen gar Freudentränen in den Augen ...


 Auch mal "nur" Tourist sein: Wüstensafari einmal anders


























Spaß macht ja auch, wenn man als "Nun-nur-Tourist" dann selbst einmal das "Touri-Programm" macht. Zumal wir sogar noch einen 'echten' aus Deutschland als Reisebegleitung mitgebracht hatten.
Wir unternahmen mit DesertRose eine halbtägige Wüstensafari gemeinsam mit ca. zweihundert anderen Touristen. Auf solch einer Tour bekommt man gewissermaßen im Taschenformat das 1001-Nacht-Feeling gereicht, inklusive Dune Bashing. Das bedeutet: Im Geländewagen mit Fahrer die Dünen rauf und runter wie in einer Achterbahn; "früher" haben wir das mit Freunden öfters an Wochenenden ja noch selbst gemacht.

Die obligatorische Kamelfarm mit Kamelbabys bestaunen, Wüstencamp mit arabischem Kaffee, Henna-Malerei für die Damen und Verkleidung mittels arabischem Herrengewands samt Falken auf der Hand für die Männer. Mit Sonnenuntergangsfotos auf dem Dünenkamm, mit Sand unter nackten Füßen und in den Haaren, mit orientalischem Bufett (keine emiratischen, dafür bekannte libanesische Speisen wie Hummus und Tabbouleh), mit einem illuminierten Derwischtanz und einer (natürlich nicht-emiratischen) Bauchtänzerin. Zuletzt 'Licht aus!' für den Blick in den betörenden Wüsten-Sternenhimmel! Alles in allem ein nicht ganz authentischer, aber sehr stimmungsvoller Kurzbesuch. Wir hatten Spaß daran.


 Schließlich: Visite im Louvre Abu Dhabi

 

Als wir 2012 nach Abu Dhabi zogen, gab es bereits allerhand Werbung für den "bald"  eröffnenden Louvre Abu Dhabi, der in enger Kooperation mit dem in Paris entstand und auch weiter zusammenarbeitet. Die folgenden Jahre beobachteten wir regelmäßig den Baufortschritt (bzw. von außen die Vollendung des Architektur-Highlights) auf der Fahrt nach Saadiayt Island, jener Teilinsel von Abu Dhabi, auf welcher das Museum seinen Standort fand.
Doch feierlich in Anwesenheit des Kronprinzen Sheikh Muhammad bin Zayed al Nahyan und des französischen Präsidenten Emmanuel Macron eingeweiht wurde der Prachtbau doch erst nach unserer Ausreise, im November 2017. Ganz klar, dass wir diesen Ort natürlich bei unserer kurzen Rückkehr nun erleben wollten!



Der Louvre Abu Dhabi lässt mit der halbtransparenten Deckenkonstruktion Lichtspiele in ständig neuen Variationen zu - je nach Sonnenstand und Färbung des Meeres, dessen Wellen "in" das Museum bzw. auf dessen Stufen hineinschwappen!
 
Das von Stararchitekt Jean Nouvel entworfene Gebäude ist spektakulär. Die 180 m weite Flachkuppel ruht tatsächlich nur auf vier Punkten! Während sich in 55 Kuben, einer arabischen Stadt nachempfunden, die Exhibitionen befinden, eröffnet sich eine Seite des Runds zur großzügigen Wandelhalle unter halb-freiem Himmel, denn die netzartig aufgebaute Kuppel ist durchlässig und spendet so auch an heißen Tagen dank dieses "Licht-Regens" (Nouvel) Schatten, wobei bereits jedes leise Lüftchen für angenehmes Mikroklima sorgt.

Das Museum vereinigt in seinen Expositionen Kunstwerke unter einem ganz eigenen Konzept: Teils ähnliche Sujets von der vor-antiken Zeit bis ins 21. Jh. hinein werden oftmals - ungeachtet der Entstehungsepoche oder des Entstehungsortes und dessen Religion im Hintergrund - nebeneinander präsentiert. (Hier ein Link zur Grundidee auf der Homepage.) In einem separaten Raum liegen z.B. Prachtausgabe von Koran, Thora und Bibel in der gleichen Vitrine.
Die generell übergreifende Anordnung lässt philosophische Gedanken zum menschlichen Wesen und künstlerischen Schaffen genauso zu wie kunstgeschichtliche Erkenntnisse für den Betrachter. Bildende Kunst als kulturübergreifende Humanitätsidee. Dieses Konzept passt hervorragend zum kulturellen Schmelztiegel Vereinigte Arabische Emirate, in dem heute Menschen aus fast jeglicher Nation und Kultur der Erde friedlich zusammenleben.






Leonardo da Vinci 





Natürlich darf Napoleon nicht fehlen!
 


















 



 li. Tanzender Shiva / re: zweiköpfige Jungsteinzeit-Statue, Jordanien, eine der ältesten überhaupt

 

Die "kleinen Freuden" der zeitweiligen Rückkehr


Neben Hochkultur und den Treffen mit lieben Freunden und Bekannten stand selbstredend auch die rein private Erinnerungstour auf unserem Programm, inklusive eines Tages in Dubai. Natürlich die Dubai-Mall mit dem gigantischen Aquarium, mit Zuckerschock im Candylicious und den abendlichen Wasserspielen mit Blick auf den illuminierten Burj Khalifa. Aber auch Wandeln durch die Ibn-Battuta-Mall - allerdings nicht auf Konsum-Pfanden, sondern auf den Spuren des großen arabischen Forschungsreisenden und Gelehrten Ibn Battuta im christl. 14. Jh.! Auch ein Wiedersehen mit den frei fliegenden tropischen Vögeln, mit Äffchen, Faultier und Waranen hatten wir eingeplant - im "Green Planet", einer künstlichen Regenwald-Biosphäre.


Brunch mit Pancakes, Vegan-Burger, Falafel Benedikte, Lemon Mint, Melonensaft und mehr ...

Nicht zu vergessen: Gaumen-"Wiedererlebnisse"! Wer kennt das nicht - ein Geschmack aus der Kindheit, ein Gericht aus einem früheren Urlaubsort ...
Noch nicht so lange her für uns, doch die Liste der Töchter war lang, woran unsere Geschmacksknospen unbedingt wiedererinnert werden sollten: Mittagessen in der Cheesecake-Factory (einschließlich Kerze auf der Torte sowie philippinischem Kellnerchor, welcher der Jüngeren ein Geburstagsständchen brachte!), Lemon Mint und die besten Falafel in einem Café, legendäre Burger bei ShakeShack, Schokoladenträume bei Godiva,...
Sogar ein Supermarkt-Besuch stand auf unserer To-do-Liste: Für das "heimelige Gefühl" sowie den Einkauf von guten Datteln, Gewürzen und bestimmten amerikanischen Keksen und Chips, die in Deutschland nicht erhältlich sind. Auch DAS kann eben umgekehrter "Heimat"-Urlaub sein.  :-)


Abendstimmung am Saadiyat Beach

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vom Gefühl paralleler Leben


Und dann haben wir wieder Abschied genommen vom "alten" Zuhause und sind geflogen in das "neue", das doch noch sehr neu ist. Denn innerhalb des letzten halben Jahres seit unserer Heimkehr nach Deutschland mussten wir dreimal umziehen und sind in der nunmehrigen, endgültigen Wohnung noch beim Auspacken des Umzugsguts und beim Einrichten. Dies trug, neben Winterskälte und der Reserviertheit und Belehrungssucht mancher Deutscher, mit zum Eindruck eines recht "rauen" Zurückkehrens bei.
Wenn demnächst unser Umzug endgültig erledigt ist, wenn ein paar alte Freund- und Bekanntschaften aufgefrischt und hoffentlich auch ein paar neue geknüpft sind, dann werden wir wohl auch schließlich hier (wieder) in Dresden, in Sachsen, in Deutschland heimisch werden!

Die Tage "Abu Dhabi rewind" waren für mich eine wilde Achterbahnfahrt der Gefühle zwischen "Ha, alles wie immer!" und Heimweh, zwischen Entdecken von Neuem und Wiedererkennen, zwischen Fremdheit, Distanz und immer noch Zugehörigkeit, zwischen Melancholie und großer Freude.


Um Neumond herum nachts in Blau: Die Große Moschee von Abu Dhabi


Was bleibt, ist das gute Wissen, dass das alles nach wie vor existiert, was ich früher als Expat oft als mein "paralleles Leben" bezeichnete - der Wechsel zwischen zwei verschiedenen "Zuhauses" über Kontinente hinweg. Die Plätze und Bauten, die Kulturhöhepunkte und Leckereien, vor allem aber die lieben Menschen, die wir an einem Ort zurückgelassen haben, sind weiter dort. 
Mein Lebensabschnitt in den Emiraten mag beendet sein, aber er ist nicht "weg". So, wie im Louvre Abu Dhabi die Kunst "Leben" in unterschiedlichsten Perspektiven aus Raum und Zeit doch oft neu vereint, so ähnlich ist es auch mit den zeitlichen und räumlichen Facetten meines Lebens. 

Hier wie da geht es seinen Gang. Und da Jegliches gleichzeitig existiert, kann man (etwas Reisekasse vorausgesetzt) auch jederzeit hin- und herwechseln. Kein Abschied von Orten, von Wurzeln und Menschen muss einer für immer sein!

Mit diesem Wissen verabschiede ich mich hiermit freundlich von allen Lesern.



 
Fotos: Antje, Tina & Tanja Döhring

Dienstag, 20. Juni 2017

Abschied von Abu Dhabi - Ma'a salama



Bei TRIPADVISOR wurde die Sheikh Zayed Moschee Abu Dhabi 2017 zur zweitbedeutendsten Sehenswürdigkeit der Welt gewählt, gleich nach Angkor Wat. 



Das hier ist mein Abschieds-Beitrag.

Abschied zumindest von den wahrlich zur Zweitheimat gewordenen Vereinigten Arabischen Emiraten und Abu Dhabi. Abschied auch von diesem Blog, das mit unserer Rückkehr nach Deutschland nun endet.
Ich werde die Texte jedoch stehenlassen - in der Vergangenheit scheinen sie manchem aus nah und fern zur Information oder auch Unterhaltung gedient zu haben. Das sollen sie gern auch weiterhin.

 
Leeres Haus, voller Terminplan.
                                                    Abschiede, Abschiede, Abschiede.
                                                                                                              Expat-Leben eben.


Abschied vom Haus, vom Compound, vom Auto. Von der Schule, vom Fitnessstudio, vom warmen Meer, von der endlosen Dünenlandschaft der Rub Al-Khali. Vom Blick aus dem Fenster vor meinem Schreibtisch auf die Bougainvillea gegenüber. Vom Lieblingssupermarkt, der Lieblings-Mall, dem Lieblingspark, der Lieblings-Bar, den Lieblingsgebäuden, dem Lieblingsstrand. 
Viele "Noch ein letztes Mal ..."-Wege wurden gegangen: "Fotos" machen - mit den Augen und allen anderen Sinnen.

Abschied von guten Freunden. Doch auch anderen liebgewordenen Menschen, von denen man manchmal kaum den Namen kennt, mit denen man aber regelmäßig im Vorbeigehen ein Lächeln tauscht. Da steht man dann - auf der eigenen Farewell-Party, in der Schule zwischen Tür und Angel oder im Supermarkt - man verabschiedet sich diesmal "für immer", und denkt: 'Wie gern hätte ich sie, hätte ich ihn näher kennengelernt; mehr Zeit verbracht." Aber ach ...
Allerdings, man weiß ja nie! Wie oft schon haben wir jemanden in dem einen Land zurückgelassen (oder die Person uns) - nur um sich dann in einem ganz anderen wiederzutreffen?! Dass moderne soziale Kommunikationstechniken es heute leichtmachen, die anderen nicht ganz aus den Augen zu verlieren, manchmal auch Kontakte wieder zu intensivieren, sich zu besuchen - das macht den sich ausbreitenden Abschiedsschmerz zumindest etwas leichter.

"Was ist es, was für dich einen Ort wohnlich macht, dass du dich heimisch fühlst?", könnte man  fragen. Die Antwort ist einfach. Es gibt viele Gründe, aber am Ende ist es immer nur einer, der wichtigste, der Hauptgrund: die Menschen! Ich bin oft beglückt, was für unterschiedliche, jeder auf seine Art mich bereichernde Menschen ich mit den Jahren kennenlernen durfte. Durch viele habe ich etwas Neues erfahren, manchmal auch, ja, sagen wir es ruhig: Vorurteile abgebaut. Die Menschen sind das wichtigste Gut an jedem Lebensort.


Abschiednehmen - wo ist "Zuhause"?


Abschied nehmen muss ich auch vom wohligen Gefühl, dass keiner hier verlorengeht: Abu Dhabi wurde vor Kurzem in einer Studie zur sichersten (Groß-)Stadt der Welt erklärt. Hier bekommt man, wenn man Kreditkarte und Bargeld verschusselt hat, diese noch hinterhergetragen; Autos kann man unverschlossen herumstehen lassen, vergessene Taschen, Smartphones oder andere Dinge erhält man normalerweise verlässlich zurück; auch Gewaltkriminalität kommt kaum vor.

Ich muss mich verabschieden vom Blick in meinen Garten mit den hohen Bäumen, von Straßen und Plätzen, von Oud-Beduftung in Geschäften und typischen Geräuschen. Vom ganzen Alltag hier. Lokaltypischen Gewohnheiten wie: Ramadan-Schulbuszeiten; der Freitag ist der Samstag; ein Brunch beginnt mittags um eins, Schulen geben kein hitzefrei  ;-)

Wieder einmal ist ein Lebensabschnitt deutlich sichtbar abgeschlossen. Die ältere Tochter hat nach dem Abitur hier nun ihr eigenes Leben in Deutschland begonnen. Für die restliche Familie wird es bald ebenfalls ein "Sich-neu-Erfinden" am neuen Ort geben, geben müssen.

Und, da man diesen Satz ja oft zu hören bekommt: "Na IHR seid das ja gewöhnt - umziehen, Abschied nehmen; das ist ja für euch nicht so schlimm" ...
Doch. Es wächst einem als Expat nicht etwa automatisch so eine Art "Seelen-Hornhaut"! Nein, man gewöhnt sich nie wirklich dran. An die ganzen Verabschiedungen - oft für immer - schon gar nicht. Man nimmt es eher als Teil des Ganzen mit in Kauf.

Tränen. Die gehören wohl mit dazu ...


So karg. Und vielleicht gerade daher: so spirituell! Der Anblick der Wüste streichelt die Seele.


Heimkehr: Man badet nie zweimal im selben Fluss


Das unsichtbare Problem mit der Heimkehr ist: In der alten Heimat glauben die meisten ja, dass wir nun endlich "nach Hause kommen". Diese Fraktion ist witzigerweise quasi identisch mit der, welche uns bei jedem Urlaub fragt, ob man "sich denn schon eingelebt" habe. (Nein, deshalb bin ich ja dort auf Urlaub: Weil ich eben NICHT da lebe!)
Der Widerspruch, sich bei jedem Urlaub für ein paar Tage einleben zu müssen, jedoch nach 20 Jahren Abwesenheit - mit kurzen Unterbrechungen -  quasi durch Zauberhand einfach so wieder "heimkommen" zu können, fällt dabei wohl nicht weiter auf.

Also bitte, liebe Daheimgebliebenen: Wenn ihr demnächst die Feststellung trefft, die wohl alle Expats nach einigen Auslandsjahren zu hören bekommen, nämlich: 'Du musst ja SO froh sein, endlich wieder zu Hause zu sein?!" - wird meine Antwort wohl eher ein "Muss ich erst einmal rausfinden. In Wirklichkeit habe ich nämlich mein gefühltes Zuhause soeben erst eingebüßt."

Ein weises Sprichwort besagt, man könne nicht zweimal im selben Fluss baden, denn der Fluss verändere sich ständig. Nicht nur meine alte Heimat hat sich optisch, vor allem aber auch politisch verändert, auch die alten Bekannten haben derweil ihr eigenes Leben weitergelebt.
Doch auch ich selbst werde mich wohl in zwanzig Jahren irgendwie ein wenig entwickelt haben (hoffe ich zumindest); und dies durch die internationalen Erfahrungen möglicherweise noch einschneidender als ohnehin mit wachsender Erfahrung und Lebenszeit.

Ich komme also nicht einfach so heim. Es ist möglich, dass es sich zuweilen wie ein weiteres fremdes "Gastland" anfühlen wird. Auch damit werde ich, werden wir uns zu arrangieren lernen müssen. Fachleute für internationale Umzüge wissen, dass heftiger als der erwartbare Kulturschock beim Umzug in eine völlig fremde Umgebung die vergleichsweise vermutete 'leichte' Rückkehr ins Heimatland ist. "Reverse culture shock" heißt das Phänomen, umgekehrter Kulturschock.


WAS ICH    N*I*C*H*T   VERMISSEN WERDE:


* Kakerlaken!!! Durch alle unsere Gastländer haben sie uns "begleitet", aber ich will fortan keine einzige mehr sehen müssen. Noch nicht einmal in künftigen Urlauben.

* bei 45 Grad im Schatten in ein Auto einsteigen zu müssen, das jedoch bereits längere Zeit nicht im Schatten gestanden hat (und damit gut und gern 70 Grad Innentemperatur hat)

* dass es hier im Wüstenland so gut wie nie nach "Natur" riecht

* Familienleben, das sich an einer hier branchenüblichen 6-Tage- à 12- Stunden-Arbeitswoche des Verdieners orientieren muss

* bei jedem Flug nach Deutschland (oft für ganze zwei Monate Sommer) und bei jedem Flug zurück hierher zu grübeln, wie man nur alles in 23 kg Fluggepäck unterbringen soll?...


Emirates Palace, Abu Dhabis großartigstes Hotel und Fotokulisse


 WAS ICH AN ABU DHABI VERMISSEN WERDE:



* Niemals Kälte, kein eisiger Wind bei nasskalten 3°C und Matsch an den Füßen. Niemals mehr anziehen zu müssen als ein T-Shirt oder Sommerkleidchen und Schlappen.

* Fast immer heiter und entspannt wirkende Menschen - egal wo, die einen anlächeln - einfach so!
Diese Freundlichkeit äußert sich auch in netten Gesten weniger Begüterten gegenüber, ich verweise als Beispiel auf die aktuelle "Sharing Fridge"-Kampagne, mit welcher Ehrenamtliche dafür sorgen, dass Arbeiter schnell und kostenlos erfrischende und hochwertige Lebensmittel "für zwischendurch" finden. Auch Weiterbildungsmaßnahmen für Arbeiter kommen gut bei diesen an.

* Die erstaunliche Vielfalt an Akzenten um einen herum, die das Englische annehmen kann

* Die freundlichen Security Guards an der Schranke zu unserem Wohncompound, die immer lächelnd winken, als freuten sie sich tatsächlich über meine Rückkehr

* Toleranz verschiedenster Art. Seien es die Nicht-Moslems, die hier z.B. recht selbstverständlich während des Ramadan nicht vor den Augen fastender Moslems essen und trinken. Seien es wiederum jene, welche in ihrem Land die Andersgläubigen in den Bars problemlos Alkohol trinken lassen. Seien es die Weihnachts- und Oster-, die Ramadan- und die Diwali-Dekorationen in den Läden.

Sei es in der Stadt Al Ain die St. George Jacobite Syrian Orthodox Simhasana Cathedral, welche unlängst moslemischen Arbeitern zum Fastenbrechen Iftar ihre Türen öffnete und Essen bereithielt.  
In Dubai hingegen öffnete eine Gurudwara (Tempel der indischen Sikhs) für ein Iftar allen ihre Pforte. Neben Sikhs und Moslems nahmen an dem religionsübergreifenden Essen auch zahlreiche Christen und Hindus teil. Anderes Beispiel: Die bisherige 'Mohammad Bin Zayed'-Moschee in Abu Dhabi wurde in einer großen Geste der Toleranz allgemein und gegenüber den Christen im Besonderen in 'Mary, Jesus' Mother'-Moschee am 14.6.2017 umbenannt, dem Welthumanitätstag.

* Ich schätzte es sehr, problemlos und zügig von A nach B zu kommen: Auf den mehrspurigen Stadtautobahnen gibt es (fast) nie Stau!

Radio 1 und Radio 2

* Chai Karak und Lemon Mint

* Weihnachtsmarkt an der Deutschen Schule: Jedes Jahr an einem Nachmittag im Dezember, sobald es dunkelt, duftet es auf dem Schulhof von Ständen nach frischen Waffeln, gebrannten Mandeln und Apfelpunsch. Zu weihnachtlichen Klängen von der Schulband gibt es passende Deko und kleine Geschenke zu kaufen, Bratwurst und Sauerkraut usw. gegen den Hunger sowie Spiele für die Jüngeren. Diese Tradition ist bei Abu Dhabi-anern jeglicher Herkunft ein sehr beliebtes Ereignis. Das Beste: es ist lau, keiner friert sich die Finger oder Zehen ab auf diesen Weihnachtsbasar!

* Selbst mit größerem Auto immer ausreichende und geräumige Parklücken zu finden

* Gecko "Günther", der auf fast schon magische Weise immer nur morgens zu dem Zeitpunkt hinter dem Elektrokasten vor der Haustür draußen sichtbar wurde, wenn unsere Töchter das Haus zum Bus verließen. Als wolle er "Guten Morgen" sagen! Ebenso mochten wir seine vielen kleinen Verwandten, die uns oft durchs Haus oder über die Wände und Decken huschend begegneten.
Außerdem die kleinen, rosa Tauben hier, die gewitzten Spatzen, die Weißwangenbülbüls (erinnern an Kohlmeisen mit Häubchen). Und natürlich die Mynas, eine Art auf Miniaturformat geschrumpfte Krähenpapageien in Graubraun mit gelben Beinen, die immer paarweise wichtig herumhüpfen und in der Lage sind, alle möglichen Laute und Geräusche zu imitieren

* Frischer Hummus und Tabbouleh zu jeder erdenklichen Tageszeit, für Minibeträge erhältlich!

* Schulbusse. Früh - Haustür auf, Kinder in den Bus. Nachmittags - Bus hält, Kinder wieder daheim

* Ich habe hier selbst tagtäglich erleben dürfen, dass das friedliche Zusammenleben keine schöne, aber ach leider-leider unerreichbare Utopie ist - sondern normaler Alltag in den VAE. Hat was von Garten Eden, wenn dieser erstaunliche Menschen-Mix auf die unspektakulärste, "normale" Art und Weise miteinander auskommt, die man sich nur denken kann. Eben, weil das "Fremde" hier das Normale ist. Selbst, wenn auch hier nicht alle gleich sind: Abfällige Blicke oder gar Worte (geschweige denn Tätlichkeiten) gegenüber "Anderen" wird man vergeblich suchen.

* "Ladies' Nights"! Mehr sage ich nicht   :-)

* Valet Parking: Autoschlüssel abgeben und gut.

* Der Gipfel der Genderisierung - aber so nennt das hier ja keiner: Nämlich, wenn einen die philippinischen Verkäufer und Verkäuferinnen im Laden mit "Hello, MamSir, how can I help you?" begrüßen

* Wie blöd vor die Tür rennen, dort wild herumhopsen vor Begeisterung und hoffen, dass NOCH ein paar mehr Regentropfen gleichzeitig fallen, damit das Instagram-Live-Video auch ansprechend wird

* Die eeeeeeeeendlos erscheinende runde Rechtskurve des Highways zwischen Großer Moschee und Officers Club

* Der weite Blick über die einzigartigen, riesigen Mangroven-Wälder mitten in der Stadt, wenn man die Salam-Street entlangfährt, mit etwas Glück sieht man diverse Wasservögel (u.a. Flamingos) am Ufer.

* Den sakralen Anblick der Großen Moschee selbst - der Sheikh Zayed Grand Mosque - und das ganz besonders zu Neumond, wenn sie (s.o.) in geheimnisvoll irisierendes Blau getaucht ist.

* Spontane Staatserlasse à la: "Morgen fällt für alle die Schule wegen Unwetter / zur Feier der gewonnenen Expo 2020 (o.ä.) aus".

* Unsere vielen, quasi legendären Kostüm- und anderen abgefahrenen Partys, die wir gefeiert haben ("Mangrovianer" und ihre Freunde wissen, wovon ich rede)

* Instrumental-, Sprach- und andere Lehrer, die ins Haus kommen

* "Raus-in-die-Natur-Gehen" auf Arabisch: Wüstenpicknick in den Dünen, und dann Off-road fahren  =  wie Achterbahn, nur kostenlos. Natürlich inklusive Steckenbleiben!

* Supermarkt an sieben Tagen die Woche, von früh um sieben bis Mitternacht

* Dass die Mondsichel hierzulande gemütlich im Nachthimmel zu liegen bzw. schweben scheint -  anstatt, wie in nördlicheren Gefilden, hochkant "Hab-acht" zu stehen.

* Dass alles um mich rum aufspringt (o.k.: aufspringen sollte ...), wenn ich "Yalla!" rufe. Und alles vorbei ist, wenn ich "Khallas!" sage. Ganz ohne Simultanübersetzer.

* richtig gute, frische Datteln und die vielen Fässer am Gewürzstand im Carrefour oder Lulu-Supermarket, wo man nicht nur alle Düfte, sondern auch Gewürze Arabiens genießen, sondern auch lose kaufen kann


* und selbstverständlich auch: Ideen für dieses Blog hier zu sammeln und aufzuschreiben



Blick auf das Ensemble der Etihad-Towers an der Corniche von Abu Dhabi. "Etihad" heißt so viel wie "Union" (der Emirate), so ist auch die einheimische Fluggesellschaft benannt.


Nach fünf Jahren: Gedanken über die Emirate


Ein Wort noch zu unserem ein großes Stück weit "Zuhause" gewordenen und so im Herzen bewahrten Gastland, den VAE.

Das Leben überrascht einen immer dort am meisten, wo man es am wenigsten erwartet, logischerweise. Nie hätte ich früher glauben wollen, dass dieses Wüstenland mit seinen vielen Extremen, ein "Königreich" gar, mir die Vorstellung eines "Modellstaats" in vielerlei (natürlich nicht jeglicher) Hinsicht werden könnte.
Ich möchte es so erklären: Das Idealbild menschlichen Zusammenlebens stellt oft die biblische Geschichte vom Turmbau zu Babel dar. Bis dahin hatten die Menschen, unbesehen ihrer Herkunft und Rasse, friedlich zusammengelebt; selbst eine gemeinsame Sprache hatte sie geeint. Doch der Hochmut, einen Turm bis hinauf in den Himmel bauen zu wollen, hatte Gott erzürnt. Als Strafe verwirrte er u.a. die eine Sprache der Menschen zu unzähligen verschieden, die sie fortan trennten.

In den Emiraten habe ich einen Lebensraum kennengelernt, der diesem Idealbild des Zusammenlebens vor dem Turmbau zu Babel zu ähneln scheint. Mit dem Unterschied, dass der Burj Khalifa mit 830 m momentan noch das höchste Bauwerk der Erde ist - momentan bauen die Emiratis allerdings schon am noch höheren Dubai Creek Tower, um die Saudis mit aktuell angepeilten 1007 m auszustechen ..., ohne dass Gott mit einem Blitzstrahl darauf niederzufahren scheint.

Denn obwohl - das muss man natürlich anmerken - hier zwar nicht alle Menschen "gleich" sind und es große Unterschiede in ihrem materiellen Reichtum gibt, so sieht man doch Menschen aller Farben, Kulturen, Sprachen, Religionen außerordentlich friedlich und tolerant tagtäglich miteinander leben. Selbst wenn sich nicht alle nahekommen, so wird doch jeder vom anderen mit einem Mindestmaß an Akzeptanz und Höflichkeit, zumeist auch Freundlichkeit behandelt.

Außerdem: Mit welcher Art von Skala misst man eigentlich Lebenszufriedenheit? Ist derjenige, der gemütlich auf seiner kleinen Yacht mit einem Champagnerkübel neben sich vor der Küste von Dubai auf den Wellen schaukelt (aus westlicher Sicht = reich) zwangsläufig glücklicher als der hier jätende Gärtner aus Bangladesch (aus westlicher Sicht = arm), welcher mit seinem kleinen Gehalt nicht nur sich, sondern auch noch seiner ganzen Großfamilie daheim, sprich ein halbes Dorf, ein relativ angenehmes Leben verschaffen kann? Das geht problemlos, da er für die Zeit seines Arbeitsvisums in den VAE Kost, Logis und medizinische Versorgung über seinen Sponsor gestellt bekommt.

Ich kann nicht in die Köpfe sehen. Aber was ich im Alltag auf den Gesichtern der Menschen und aus ihren Reaktionen entnehme: Sie wirken eigentlich queerbeet nicht etwa gestresst, genervt, voll passiver Aggression. Sondern freundlich, höflich, entspannt, ja: zufrieden.

Das ist etwas, was ich in anderen Weltgegenden momentan nicht überall erkennen kann. Selbst die "einende Sprache" (Englisch, für viele auch Arabisch) findet man hier wieder, wie in der biblischen Geschichte.

Natürlich gibt es noch mehr solche Schmelztiegel der Kulturen auf der Welt: Hongkong, London, New York, ... Die habe ich aber nicht kennengelernt, deshalb halte ich mich bei meinem Vergleich an die Emirate.

Vielleicht klingen meine Gedanken für manchen zu idealisiert. Ich weiß aber, dass zumindest fast alle meine in fünf Jahren des Expat-Lebens in den Emiraten gewonnenen Freunde und Bekannten verstehen und bejahen, was ich damit meine.
Überdies weiß ich von einer ganzen Reihe an Leuten, die teils schon seit Jahren nicht mehr in den VAE wohnen - und es dennoch weiter als ihr eigentliches Zuhause betrachten.

Irgendwas muss also "dran" sein :-)



Der Wüstenwind wird uns sicher irgendwann einmal 
für einige Tage wieder hierher wirbeln.
Bis dahin sage ich:





Foto Große Moschee: https://s-media-cache-ak0.pinimg.com/736x/d7/30/0b/d7300b8845dd91c4b996834ccab109bf.jpg




Dienstag, 13. Juni 2017

Aus dem Nähkästchen: Ein Wort an potentielle Expats und "mitreisende Partner"


Da ich ja mein Leben als Expat nächste Woche beenden werde (wobei: Man denke an James Bond: "Never say never" ...), möchte ich noch ein paar Zeilen darüber verlieren.

Also ein Wort an alle diejenigen, welche vielleicht mit dem Gedanken spielen - oder bereits einen Termin haben - erstmals als Expat für längere Zeit fern der Heimat zu leben und zu arbeiten. Zumeist ist es ja so, dass bei Paaren und Familien einer die Entsendung ins Gastland erhält - und der Partner als "trailing spouse" mitzieht. Das ist immer noch in den meisten Fällen die Frau.

Und viele dieser "mitreisenden Ehefrauen" in spe haben, stellte ich häufig fest, EINE große Angst: 'Kann ich dort meine berufliche Karriere fortsetzen?' Viele wünschen sich quasi den gleichen Arbeitsplatz wie daheim, mit gleichem Gehalt (gut, vor einem besseren schreckten sicher wenige zurück) und den gleichen "Aufstiegschancen".

"Mitreisende Ehefrau"


Die Gegenfrage müsste lauten: Ist das wirklich immer wünschenswert? Es gibt einige Berufe, wo dies sicher durchaus im Gastland möglich ist. Und wo das Schulsystem (so man auch an Kinder zu denken hat) ganztägig ausgelegt ist oder man nachmittags eine Nanny engagieren kann. Nur: Nicht überall gehen alle Auslandsschulen bis spät in den Nachmittag, und nicht jeder kann sich mit einer Nanny anfreunden, die dann mit in der Familie wohnt. Oft wird dem "mitreisenden Ehepartner" jedoch auch gar kein Visum mit Arbeitserlaubnis ausgestellt.

Ich möchte diesen zweifelnden "mitreisenden Ehepartnern" Mut zusprechen, und dies durchaus ganz aus meiner eigenen Erfahrung heraus. Ich hatte in Deutschland einen prima Beruf. Doch in jedem  meiner bisher vier Gastländer habe ich einen oder mehrere, oft völlig "artfremde" Tätigkeiten ausgeübt. Und ich muss sagen: Ich würde es heute gar nicht mehr anders haben wollen! Die Einblicke in ganz andere Berufsfelder und Arbeitswelten haben mich, nach einiger Einarbeitungszeit, ungemein bereichert. Ich habe Dinge kennengelernt, von denen ich sonst sicher heute keine Ahnung hätte!

Auch durfte ich immer wieder feststellen, dass gerade jungen Müttern im Ausland viel mehr Familienfreundlichkeit entgegengebracht wird, als es in Europa denkbar wäre. Ich habe es mehr als einmal erlebt, dass ich eine angebotene Vollzeitstelle schon, leise bedauernd, ablehnen wollte, weil der Kindergarten, die Schule mittags schloss. Und was sagte der künftige Chef dann an dieser Stelle: "Oh, na wenn das so ist? Wenn die Schule nun mal mittags zumacht, dann versuchen wir mal, ob wir das nicht auch mit einer Halbtagsstelle hinbekommen!" Und - inklusive etwas Heimarbeit am PC - haben wir es dann auch immer hinbekommen.


"Was machst du denn dort den ganzen Tag, immer zu Hause?"


Selbst für den Fall, dass man im Gastland nicht so leicht eine bezahlte und dazu auch noch familienkompatible berufliche Tätigkeit finden sollte: Es gibt so viel mehr Möglichkeiten! Normalerweise reicht bei einer Entsendung dieses Gehalt für zwei oder mehr Personen durchaus aus. Ich habe in den vergangenen fast 20 Jahren Reiselebens viele bemerkenswerte Frauen kennengelernt, die sich auch - oder sogar gerade? - ohne Erwerbstätigkeit hervorragend selbst entwickelt haben! 

Frauen, welche zu interessanten, anregenden Gesprächspartnern (und auch: klugen Müttern!) geworden sind, weil sie "etwas aus sich gemacht" haben. Seien es wichtige ehrenamtliche Bereiche im Entsendungsort, die oft ohne solche engagierten Frauen brach lägen. Sei es das Eintauchen in die neue Sprache, das auch wiederum neue soziale Kontakte und damit Horizonterweiterungen mit sich brachte. Seien es Fernstudienabschlüsse, die gemacht oder bestimmte Kurse am Gastort, welche absolviert wurden und hie oder da auch künftig neue berufliche Möglichkeiten (sogar im Herkunftsland?) mit sich bringen. 
Seien es Frauen (bzw. mitreisende Männer, auch die gibt es ja), welche sich auf ihre Stärken besonnen haben und in die Selbstständigkeit gestartet sind - im ehemals gelernten oder auch im neu entdeckten Arbeitsfeld, im kleinen oder auch großen Rahmen. Nicht unterbewerten sollte man sicher auch die Zeit, die viele durch die "Freiheit vom Geldverdienenmüssen" bekamen, um sich in neuen Hobbies, Wissensbereichen oder auch Sport, Kultur und Literatur auszuprobieren, sich ständig weiterzuentwickeln, den Geist wie bei einem guten "Stretching" nach dem Sport zu dehnen und zu erweitern.

Wer immer noch Bedenken hat, wie sich solch eine "Lücke" im Lebenslauf bei Bewerbungen in der Zukunft wohl ausnehmen mag: Es sei nicht verschwiegen, dass beim Organisieren des Lebens am neuen Einsatzort in einer fremden Kultur das meiste nun mal am "trailing spouse" hängenbleibt. Einfach, weil der Entsendete oft happige Arbeitszeiten und oft dazu noch Dienstreisen zu bewältigen hat und dadurch fürs "Alltägliche" gar nicht bereitsteht. 
Sich in einer fremden Umgebung überhaupt erst einmal zurechtzufinden, sodass der Kühlschrank stets annehmbar gefüllt ist (wo kann ich was kaufen?), bei technischen Problemen im Haus Hilfe kommt (die Suche nach geeigneten Handwerkern bzw. das Prozedere, bis das Problem dann auch tatsächlich behoben ist, kann in manchen Weltgegenden durchaus ein Tage füllendes Programm werden!), man einen kundigen Arzt gefunden hat und auch ein paar Sozialkontakte geknüpft - all das sind Dinge, für die man zwar nachher keinen Orden und auch keine Gehaltserhöhung bekommt. Die aber essentiell sind, damit das Leben im fremden Land gelingt. 
Wer also später einmal so eine "Lücke" in der CV erklären muss: Es ist oft ein "Job an und für sich" mit vielseitigen Managererfordernissen unter erschwerten Bedingungen! Wer das hinbekommt, können Sie ihrem Chef in spe sagen, der ist wohl auch handelsüblichen, zentraleuropäischen Problemchen auf Arbeit gewachsen.

WAS MICH IN DER ZEIT IN DEN EMIRATEN BEREICHERT HAT:


  •    Ich habe ein Buch veröffentlicht (Näheres siehe Reiter in der Leiste oben), vieles über Publikation, PR, Drucklegung gelernt. Die  Übersetzung des ersten Buchs ins Englische angeschoben, ein weiteres Manuskript fertiggestellt und Ideen für weitere im Kopf. Außerdem konnte ich meine ersten Autorenlesungen halten.
  •    Habe einen postgradualen Abschluss als Sprachlehrerin für Erwachsene absolviert und so im Unterricht meine eigene Muttersprache mal mit den Augen von Deutsch-Schülern betrachtet.
  •    Ich habe wieder einmal meinen Horizont erweitert und u.a. festgestellt: 'Monarchie' ist nicht unbedingt und per se muffig-gestrig und ausbeuterisch. Genauso, wie 'Demokratie' nicht zwingend progressiv und zukunftsweisend sein muss. Das sind alles nur Begriffe. Entscheidend ist nicht der "-ismus", sondern das, was er mit seinen Einwohnern macht. Nicht die "Aufschrift" auf dem Kästchen zählt - man muss es schon aufmachen und hineinsehen, um festzustellen, was sich wirklich dahinter verbirgt.
  •    Ich habe Spaß - und gehörig schweißtreibendes Fitnesstraining! - gehabt, indem ich Zumba- und Bauchtanzkurse mitgemacht habe. Und zwar "kann" ich sicher nun nicht wirklich Klavierspielen, aber nach gut vier Jahren Unterricht hier zumindest einiges erkennbar musizieren. Außerdem habe ich endlich mal "richtig" tanzen gelernt - Standard und Latein querbeet (wobei: fertig ist man ja nie). Außerdem wieder unzählige Bücher gelesen....
  •    Und nicht zuletzt habe ich so viele großartige Menschen kennengelernt - und mit ihnen wieder viele kleine Stückchen mehr von der "Welt" im Großen und Kleinen kennenlernen und begreifen dürfen. 

 

Gewinn, der sich nicht mit Geld bezahlen lässt


Sicher ist kein Leben mit dem anderen vergleichbar. Noch viel weniger eines, das sich teilweise vielleicht auf einem oder gar mehreren anderen Kontinent abgespielt hat. Ich kann also am Ende nur für mich sprechen. 
Auch wenn dieses Leben als "Expat" nicht immer einfach ist, einen sehr fordert, anstrengt, ... : Ich bin froh und dankbar, dass ich diese Erfahrungen 'einsacken' durfte; ich würde es immer wieder genauso machen! 

Eines nämlich habe ich lernen dürfen - und weiß, dass dies auch unsere Kinder ganz automatisch so mitbekommen haben -: Dass es NIEMALS nur eine Art und Weise gibt, jegliche Sache zu betrachten, anzugehen, zu behandeln. Die Welt ist vielfältig und hat für alle möglichen Probleme und Erscheinungen eben auch unterschiedliche Arten, damit umzugehen. Und das ohne, dass die eine oder andere Weise "besser" wäre (höchstens auf die jeweilige Umwelt bezogen und abgestimmt). Genauso, wie Menschen viele Hautfarben, Sprachen, Kulturen haben, genauso variantenreiche sind ihre Essgewohnheiten, ihre religiösen Gebräuche, ihre Kindererziehung, die Gestaltung der Arbeitswert, das soziale Miteinander, ...

Dies alles existiert nebeneinander und könnte mehr oder minder auch harmonisch nebeneinander existieren, wenn nicht immer wieder Menschen sich dazu aufschwingen würden, "ihren" schmalen Ausschnitt an Weltsicht allen anderen als "einzig wahr und richtig" überstülpen zu wollen. 

Dass es jedenfalls MÖGLICH ist, die Vielfalt der Menschen friedlich zu vereinen, habe ich in den Vereinigten Arabischen Emiraten mit seiner "Schmelztiegel"-Zusammensetzung erleben dürfen und werde es stets als Beispiel im Herzen bewahren.


Die Farben sind verschieden, auch ihr "Charakter" - Äpfel sind und bleiben sie. Das ist bei Menschen nicht anders.
Weitere Gedanken zum Thema "mitreisender Ehepartner" gibt's in diesem Blogbeitrag!


Quelle Bild top: http://www.gbpicsonline.com,
 Bild "Vielfalt statt Einfalt": http://www.aidshilfe-rlp.de/wp-content/uploads/2016/02/Aktionsb%C3%BCndnis-Vielfalt-statt-Einfalt.png